Historische Orgeln in Oberschwaben

Die Schäfer-Orgel in der alten kath. Pfarrkirche St. Stephanus, Westerheim

Ein Nachtrag zu Historische Orgeln in Ulm und Oberschwaben.

Dass sich eine gut 190 Jahre alte Orgel samt Pfeifenwerk und Spielanlage überwiegend original erhalten hat, kommt in den alten Bundesländern äußerst selten vor und grenzt geradezu an ein Wunder. Doch ein solches Wunder gibt es in der seit gut 35 Jahren leerstehenden, 1787/88 erbauten Pfarrkirche St. Stephanus der 3000 Seelen-Gemeinde Westerheim (Alb-Donau-Kreis).

Als die Autoren von "Historische Orgeln in Ulm und Oberschwaben" vor rund 15 Jahren um Zutritt zu der seit 1975 verschlossenen Kirche baten, wurden sie unter allerlei "Argumenten" abgewimmelt. Die Kirche sei einsturzgefährdet, eine Orgel gebe es da sowieso nicht mehr, hieß es unter anderem.

Und ob es da eine Orgel gibt!

Dem Besucher in der nun zugänglichen Kirche gingen die Augen über. Oben auf der zweiten Empore ist nicht nur der klassizistische "Zopfstil"-Prospekt von 1820 erhalten, sondern das Gehäuse enthält auch (abgesehen vom Zinkprospekt) das gesamte – überwiegend originale – Pfeifenwerk, die Windladen und die Trakturen der 1820 von Johann Georg Schäfer (1785–1845) aus Göppingen aufgestellten Orgel.

Die unspielbare und recht verwahrloste Orgel ist eine Kostbarkeit. Bilder solchen Elends sieht man eigentlich nur noch in aufgegebenen Kirchen der alten Bundesländer oder im Ostblock. Andererseits entging das Instrument durch den langen Dornröschenschlaf vielen modernisierenden Eingriffen. Eingegriffen in die Erhaltung und Wiederherstellung der Kirche hat seit Jahren der rührige Förderverein St. Stephanus. Kürzlich wurde das Gotteshaus vom Landesdenkmalamt Baden-Württemberg zum "Denkmal des Monats Januar 2011" gewählt. Nun hoffen die Mitglieder des Vereins auf Geld für die Restaurierung der alten Pfarrkirche. An die Wiederherstellung oder gar Restaurierung der Orgel ist bislang noch nicht zu denken, zumals sich die katholische Kirchengemeinde Westerheim neben der Sanierung von St. Stephanus noch mit der Erhaltung ihrer 1975 erbauten, teilweise schon maroden Christ-König-Kirche herumschlagen muss.

Bislang sind noch keine Archivalien zum Bau der Orgel aufgetaucht. Durch Stilvergleiche kann aber die Urheberschaft des Göppinger Orgelbauers Schäfer als gesichert gelten; der Prospekt in Westerheim ist der Schauseite der Schäfer-Orgel in der Stiftskirche Faurndau verblüffend ähnlich.

Die Orgelbauersippe Schäfer

Der "Katalog" 1855 gibt Schäfer aus Heilbronn als Erbauer der Westerheimer Orgel an, doch Johann Heinrich Schäfer (1810-1887) gründete seine Werkstatt in Heilbronn erst 1838, als Erstlingswerk der Heilbronner Werkstatt nennt das "Lexikon" einen Neubau 1839 für Heinsheim. Die Westerheimer Orgel wurde aber 1820 aufgestellt. Insofern kann die Herkunftsbezeichnung "Heilbronn" nicht stimmen.

Dass die Autoren des Katalogs/Handbuchs "Schäfer, Heilbronn" nennen, ist damit erklärbar, dass Johann Heinrich Schäfer der weitaus erfolgreichste Orgelbauer der Sippe war. Der älteste Sohn des "Göppinger" Schäfer stand zeitweise sogar in Konkurrenz zu Walcker.

Verfügbare Daten zur Orgel

Disposition

Disposition nach den Angaben am Spieltisch; eine genaue Bestandsaufnahme mit der Stellung der Register auf den Laden, Befund des Pfeifenbestands und der Trakturen ist wegen der extremen Verschmutzung des Werks und der noch nicht gesicherten Empore derzeit nicht möglich. Der Bestand kann erst beim Ausheben des Werks präzise definiert und aufgenommen werden; diese Maßnahme muss außerdem von der Diözese Rottenburg-Stuttgart genehmigt (und finanziert?) werden. 

Manual C-f3

1) Principal 4´ teilweise als Zinkersatzpfeifen im Prospekt.

2) Gedeckt 8´ Holz; eine Pfeife ist signiert als "C Copul 8 fuß"

3) Flöte 8´

4) Gamba 8´

5) Salicional 8´

6) Flöte travers 4´

7) Dolce 4´

8) Oktav (sic!) 2´

9) Mixtur 4fach 2 2/3´

Pedal C-c1

10) Subbaß 16´

11) Oktavbaß (sic!) 8´

12) Violonbaß 8´

( ) "Ventill" (Windablass)

( ) Koppel Manual/Pedal

Schleifladen mit mechanischer Spiel- und Registertraktur. Die Spiel- und Registertrakturen sind großteils noch vorhanden.

Windversorgung: Die Balganlage (ca. 1920) ist ausgebaut und auf dem Dachboden aufgehängt (sic!). Ein "Ventus", ca. 1920/30, als Industriedenkmal erhalten.

Spieltisch: freistehend mit Blick zum Altar, original, die Registerbezeichnungen wohl nicht original ("Oktav"). Die Manual- und Pedalklaviatur nicht original.

Pfeifenwerk: Der Pfeifenbestand ist komplett und überwiegend original erhalten. Einige Fremdpfeifen. Die Metallpfeifen durchweg aus vorindustrieller Fertigung. Der Prospekt besteht aus Zinkpfeifen.
Holzpfeifenwerk überwiegend original, es gibt einige Signaturen ("C Copul 8 fuß").
Das Pfeifenwerk ist sehr stark verschmutzt, die Metallpfeifen (Füße!) vielfach verbeult und mit Klebeband geflickt. Das Holzpfeifenwerk des Pedals mit heller, überall abblätternder Farbe überstrichen.

Gehäuse: Farbgebung (umbra) wohl original. Gehäuseverzierungen und Laubwerk im "Zopfstil".

Bilder

Beim Klicken auf die Bilder öffnet sich jeweils eine größere Ansicht.

Ansichten der Kirche gibt es auf den Seiten der Gemeinde Westerheim zu sehen.

Quellen und Literatur

Wolfgang Manecke

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